In der aktuellen Situation haben viele Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Dies führt dann zu teils erheblichen Einkommenseinbußen bei den Mitarbeitern. Hier stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Situation dann auch auf bestehende Unterhaltsansprüche bzw. Verpflichtungen auswirkt.
Die entscheidende Frage hierbei ist in unterhaltsrechtlicher Hinsicht, jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung, inwieweit die Verringerung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen nicht nur vorübergehender Natur ist.
Gerade hier liegt aber aktuell wohl das größte Problem im Hinblick auf die rechtliche Einschätzung. Niemand wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt sagen können, wie lange mit pandemiebedingten Einkommenseinbußen aufgrund von Kurzarbeit zu rechnen ist. Wenn dieser Zeitraum nur einige Monate andauern sollte, wird man jedenfalls nach bisheriger Rechtslage nicht davon ausgehen können, dass sich das dann auch unterhaltsmäßig auswirkt, d. h. dass der Unterhaltsverpflichtete eine Herabsetzung des geschuldeten Unterhalts verlangen kann. Eine klare Regel, ab wann von einer dauerhaften Einkommenseinbuße auszugehen ist, gibt es nicht. Gerade bei Geringverdienern, bzw. bei dann regelmäßig gegebenen Kindesunterhaltsansprüchen lediglich im Mindestunterhaltsbereich, wirkt sich natürlich bereits eine Einkommenseinbuße über einen Zeitraum von einem Monat erheblich aus. Dessen ungeachtet wird man jedenfalls, wenn man die bisherige hierzu ergangene Rechtsprechung betrachtet, eher davon ausgehen müssen, dass man frühestens ab einem Zeitraum von drei Monaten beginnen kann von einer Nachhaltigkeit auszugehen. Erst dann dürfte auch die Möglichkeit gegeben sein, bestehende Unterhaltstitel (beispielsweise Jugendamtsurkunden über Kindesunterhalt, gerichtliche Vergleiche oder gerichtliche Beschlüsse) abzuändern.
Da aber aktuell nicht abzusehen ist, wie sich die Gesamtsituation entwickeln wird und eine rückwirkende Abänderung eines Unterhaltstitels nur ab dem Zeitpunkt möglich ist, ab dem sie verlangt wird, empfiehlt es sich, bereits nach relativ kurzfristiger Einkommenseinbuße, diese gegenüber dem Unterhaltsgläubiger bekannt zu geben. Unter Umständen sollte auch bereits vorsorglich einmal die Herabsetzung des geschuldeten Unterhalts bzw. die Abänderung eines bestehenden Titels verlangt werden.
Bezüglich der Höhe des geschuldeten Unterhalts ist es so, dass jedenfalls für den Fall der Anordnung von Kurzarbeit „0“ sich auch die entsprechenden Selbstbehaltssätze verändern. Es gelten dann die Selbstbehaltssätze für Nichterwerbstätige. Aktuell belaufen sich diese Selbstbehaltssätze gegenüber Minderjährigen oder minderjährigen gleichgestellten Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres auf 960,00 € und gegenüber dem getrenntlebenden oder geschiedenen Berechtigten auf 1.180,00 €.
Im Bereich des Mindestunterhalts für Minderjährige oder minderjährige gleichgestellte Kinder wird auch zu berücksichtigen sein, inwieweit trotz Kurzarbeit auch die Neuaufnahme einer zusätzlichen Tätigkeit anrechnungsfrei möglich ist. Bislang wird der Verdienst einer während der Kurzarbeit neu aufgenommenen Tätigkeit auf das Kurzarbeitergeld angerechnet.
Aufgrund einer Gesetzesänderung, bleibt aktuell die Aufnahme einer Tätigkeit in systemrelevanten Branchen und Berufen in der Zeit vom 01.04.2020 bis 31.10.2020 anrechnungsfrei, soweit Kurzarbeitergeld und der Hinzuverdienst das bisherige Arbeitsentgelt nicht übersteigen (neuer § 421 c SGB III). Ab dem 01.05.2020 soll diese Zuverdienstmöglichkeit für alle Branchen und Berufe gelten und soll bis zum 31.12.2020 befristet sein.
Aufgrund derartiger anrechnungsfreier Hinzuverdienstmöglichkeiten, ist durchaus davon auszugehen, dass Unterhaltsschuldnern die Aufnahme einer entsprechenden Nebentätigkeit zugemutet wird, um jedenfalls den Mindestkindesunterhalt sicherzustellen. Hier könnte man dann von einer entsprechenden Erwerbsobliegenheit ausgehen. Wird eine derartige Tätigkeit nicht aufgenommen oder findet man schlicht eine solche Tätigkeit nicht, ist jedenfalls davon auszugehen, dass in einem gerichtlichen Abänderungsverfahren entsprechende Erwerbsbemühungen um eine derartige Nebentätigkeit dargelegt werden müssen.
Es empfiehlt sich also zum einen, entsprechende Erwerbsbemühungen vorzunehmen und zum anderen, diese auch zu dokumentieren.
Insgesamt sollten aktuell Unterhaltsschuldner und Unterhaltsgläubiger versuchen – jedenfalls für eine Übergangszeit – einvernehmliche Lösungen zu suchen. Darüber hinaus sollten Unterhaltsschuldner durchaus frühzeitig anwaltliche Beratung im Hinblick auf die Vorbereitung einer Herabsetzung oder Abänderung der Unterhaltsverpflichtung in Anspruch nehmen.
Unsere Fachanwälte für Familienrecht Dr. Michael Schulte und Ina Rosenbaum stehen Ihnen hierzu als Ansprechpartner gerne zur Verfügung.